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Events / 13.04.2018

IAA BUSINESS LUNCH:

Designerbabys, Drohnenland & Erlösungshacker

Ethik, Recht & Technologie – Willkommen in Digitalien

Großes Interesse fand der IAA Business Communication Lunch zum Thema digitale Transformation, der erstmals im beeindruckenden Ambiente des Palais Wertheim stattfand. IAA Generalsekretärin Christine Antlanger-Winter, CEO Mindshare Austria, führte durch den Talk rund um Wissenschaft, Recht und Ethik: „Die Auswirkungen der Digitalisierung gehen uns alle an und stellen uns vor Herausforderungen, die wir heute unmöglich abschätzen können. Nur eines ist sicher: Nichts bleibt, wie es ist und wir werden uns auf eine völlig neue, hochtechnologisierte Welt gefasst machen müssen.“ Alena Buyx, Mitglied des Ethikrates der Deutschen Bundesregierung und Digitalrechtsexperte Nikolaus Forgó von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien versuchten Antworten auf brandaktuelle Fragen und Lösungen für eine lebenswerte, digitale Zukunft zu finden.

Alena Buyx sieht grundsätzlich großes, positives Potential in der Zukunft, ist sich aber der Gefahren und negativen Effekte, der rasant fortschreitenden technologischen Entwicklung bewusst. Um dem gegenzusteuern, ist es wichtig, dass auch Techniker – ähnlich wie Mediziner – in ethischen Fragen ausgebildet bzw. ethische Berater beigezogen werden. Sie nannte als Beispiel ein Programm an der Universität Stanford, wo Ethik als Lehrfach ein Teil von technischen Ausbildungen ist.

Das größte Problem sehen die beiden Wissenschaftler nicht in der Regulierung, die würde man, laut Nikolaus Forgó, in den Griff bekommen, sondern darin, wie wir mit dem technischen Wandel umgehen. Die Dual-Use Problematik wird nun, da sich praktisch jeder fast alle Informationen beschaffen kann, noch schwerer in den Griff zu bekommen sein. „Technologien sind per se ja weder schlecht noch gut, entscheidend ist der Einsatz“, meint Alena Buyx, „das macht uns Angst und wir haben Schwierigkeiten sie emotional und psychisch in unser Leben zu integrieren, selbst wenn viele Neuerungen bereichernd sein werden. Wir müssen die Herausforderungen rational sehen und versuchen, in unserem Bereich eine Balance zu finden“.

Dem kann Nikolos Forgó nur zustimmen: „Auch die Politik muss sich in Sachlichkeit und Zurückhaltung üben. Es ist für ein Land wie Österreich sicherlich besser, sich in einem größeren Verbund, wie der EU, wiederzufinden und nicht eigene, nationale Wege zu gehen“. In Bezug auf die „Kompromisslösung“ Datenschutzgrundverordnung und die e-Privacy-Richtlinie ist der Rechtsexperte eher skeptisch: „Die EU ist aktiv im Regulieren, aber erstens finden wir hier große Widersprüche, wie z.B. Datenschutz versus Informationsfreiheit und zweitens lässt sich Technologie durch Recht nur schwer steuern. Viele wussten gar nicht, dass es bereits sehr viele Datenschutz-Regulierungen gibt, erst dadurch, dass in Zukunft Strafen drohen, wurden sie darauf aufmerksam, was mit den Daten alles gemacht werden kann und jetzt ist der Schock natürlich groß.“

Ähnlich sieht es Alena Buyx: „Wir kämpfen – und das gilt für den Einzelnen ebenso, wie für die Wirtschaft im Allgemeinen – mit einem Bewusstseinsproblem. Trotzdem sehe ich in den hohen Standards, die wir in Europa haben, mehr eine Chance als einen Nachteil. Wir müssen hier ge- und entschlossen auftreten – an großen Unternehmen, wie z.B. Facebook, kann man ja sehen, dass die  strengeren EU-Richtlinien sogar freiwillig übernommen werden. Der europäische Markt ist ein großer wirtschaftlicher Faktor, das sollten wir uns zunutze machen.“ Nikolaus Forgó sieht in der e-Privacy Richtlinie grundsätzlich auch keine Schwierigkeit, wohl aber in deren teilweise sehr unklaren Formulierung – dies könne sehr wohl zu einem Wettbewerbsnachteil führen.

Für die Zukunft wünschen sich die beiden Experten, dass nicht neue Technologien verdammt werden, sondern überlegt wird, welcher Einsatz „geächtet“ wird und wie der Mensch Herr der Lage bleibt. Es muss auch möglich sein, bestimmt Techniken abzubrechen, die ohne menschliche Kontrolle funktionieren könnten. In diesem Zusammenhang wäre es dringend notwendig, Ethikkommissionen mit entsprechenden Mitteln und Möglichkeiten auszustatten, um auf potentielle Gefahren hinzu-weisen und entsprechende Schritte einleiten zu können.

Foto v.l.n.r.: Nikolaus Forgó, Christine Antlanger-Winter, Alena Buyx, Peter Lammerhuber

Weitere Fotos unter: https://www.leadersnet.at/foto-galerie/11956,iaa-business-communication-lunch.html

 

Prof. Dr. med. Alena Buyx, M.A. phil., FRSA,

ist seit April 2014 Professorin für Medizinische Ethik und Stellvertretende Sprecherin des Instituts für Experimentelle Medizin an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Alena Buyx bearbeitet die gesamte Breite der biomedizinischen Ethik und Theorie, von den ‚klassischen’ medizinethischen Fragen aus der klinischen Praxis, über Herausforderungen durch biomedizinische Behandlungsinnovation und Forschung; bis hin zu ethischen und Gerechtigkeitsfragen in modernen Gesundheitssystemen. Sie verfolgt einen interdisziplinären Ansatz und kollaboriert mit klinischen Kollegen ebenso wie mit Juristen, Sozialwissenschaftlern, Philosophen, Gesundheitsökonomen oder Theologen. Alena Buyx ist Mitglied zahlreicher nationaler, internationaler und universitärer Gremien, ist Gastprofessorin an der österreichischen Karl-Landsteiner-Universität für Gesundheitswissenschaften, berät regelmäßig große, internationale Forschungskonsortien und ist Mitglied des Deutschen Ethikrats.

 

Univ.-Prof. Mag. Dr. Nikolaus Forgó

ist seit Oktober 2017 Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Gründer und Leiter des Universitätslehrgangs für Informations- und Medienrecht. Der gebürtige Wiener war zuvor Professor für IT-Recht und Rechtsinformatik, sowie Leiter des Instituts für Rechtsinformatik und Datenschutzbeauftragter an der Leibniz Universität Hannover und bis 2017 Direktor des Forschungszentrum L3S (www.l3s.de). Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderen in der umfangreichen Grundlagen- und Drittmittelforschung für europäische, deutsche und österreichische Auftraggeber zu allen Fragen des IT-Rechts, insbesondere des Datenschutz- und Datensicherheitsrechts und in der Evaluations- und Beratungstätigkeit u.a. für die Europäische Kommission, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, den Deutschen Ethikrat und verschiedene deutsche und österreichische Ministerien.